Kosmologie
Die Kosmologie beschäftigt sich mit dem Universum (Kosmos) als Ganzes. Hierbei geht es um den Ursprung, die Entwicklung und Zukunft des Kosmos sowie um die grundlegenden kosmischen Strukturen.
Theoretische Grundlage der heutigen Kosmologie ist vor allem die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein (1879 – 1955), welche er im Jahre 1915 aufstellte. Auf Basis dieser Theorie werden die gängigen kosmologischen Modelle aufgestellt, welche im Rahmen der geltenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten die Entwicklung des Universums beschreiben.
Das favorisierte kosmologische Modell ist die sogenannte Urknalltheorie. Nach dieser entstand unser Universum vor zirka 13,8 Milliarden Jahren aus einem extrem dichten und heißen Anfangszustand heraus. Seit dem Urknall dehnt sich das Universum aus. Dabei sinkt aufgrund der Zunahme seines Volumens V auch seine Temperatur T. Es gilt:
T1/T2 = (V2/V1)κ-1
Hierbei ist κ der sogenannte Adiabatenexponent, welcher von den Eigenschaften des Gases abhängt. Aus der obigen Gleichung folgt, dass die Temperaturabnahme umgekehrt proportional zur Zunahme des Volumens ist:
T ~ 1/V
Mit zunehmender Ausdehnung kühlt das Universum ab. Heute hat es eine Temperatur von T0 = 2,71 K.
Wir können die Entwicklung des Universums ab folgenden Werten für dessen Größe (R), für die Zeit nach dem Urknall t, für dessen Temperatur T und dessen Dichte ρ beschreiben:
- R = 10-35 m
- t = 10-43 s
- T = 1032 K
- ρ = 1094 g/cm³
Noch näher kommen wir räumlich und zeitlich mit den bisherigen Theorien nicht an den Urknall heran. Der Entwicklungszeitraum vom Urknall bis zu den oben genannten Werten wird als Planck-Ära bezeichnet. Zu dieser Zeit dürfte die Raumzeit bzw. das Universum eine Art Quantenschaum mit vollkommener Symmetrie gewesen sein. Währen der Planck-Ära kam es zu sogenannten Quantenfluktuationen. Innerhalb der Energie-Zeit-Unschärfe (ΔE ∙ Δt ≥ h) bildeten sich immer wieder Teilchen und verschwanden. Des Weiteren war das Vakuum von Energiefeldern durchzogen.
Diese Quantenfluktuationen führten im Ergebnis zu Massenfluktuationen. Es bildeten sich in der Raumzeit Bereiche mit höherer Massendichte und umgekehrt. In den Bereichen mit höherer Massendichte war auch die Gravitation stärker, was zu noch mehr Ansammlung von Masse in diesen Bereichen führte. Allerdings konnten die Quantenfluktuationen erst durch die sogenannte Inflationsphase des Universums zu dauerhaften und makroskopischen Strukturen werden.
Während der Inflationsphase soll sich das Universum 10-35 Sekunden nach dem Urknall um den Faktor 1030 auf eine Größe von etwa einem Meter vergrößert haben. Dabei wurden die durch Quantenfluktuation erzeugten Strukturen, welche ja nicht beständig gewesen wären, mitgezogen und ins Makroskopische vergrößert. Auf dieser Skala blieben diese Strukturen dann als die oben bereits erwähnten Massenfluktuationen erhalten. In den Gebieten mit höherer Massendichte konzentrierte sich zunächst nur die Dunkle Materie, da die baryonische Materie sich aufgrund der noch sehr hohen Temperatur nicht binden bzw. konzentrieren konnte (Baryonische und Dunkle Materie werden weiter unten erläutert). Als die Temperatur dann weit genug abgenommen hatte, konnte sich neben der Dunklen Materie auch die sichtbare baryonische Materie ansammeln. An diesen Stellen entstanden dann zirka 400 Millionen Jahre nach dem Urknall die ersten Galaxien.
Die Inflationstheorie ist nicht unumstritten, doch liefert sie einige Erklärungen für die beobachtbaren Eigenschaften des Universums. Zunächst kann sie erklären, wie aus Quantenfluktuationen makroskopische Gravitationsinstabilitäten werden konnten. Das wurde oben bereits erläutert. Des Weiteren erreicht uns aus allen Richtungen des Universums die sogenannte Kosmische Hintergrundstrahlung. Sie ist eine thermische Strahlung aus der Zeit nach dem Urknall und wurde etwa 400.000 Jahre nach dem Urknall frei. Damals entsprach diese thermische Strahlung einer Temperatur von 3.000 Kelvin, aufgrund der Ausdehnung des Universums entspricht sie heute einer thermischen Strahlung von 2,71 Kelvin. Aus allen Richtungen ist diese Strahlung isotrop bzw. sieht gleich aus. Einen kausalen Zusammenhang, welcher diese Übereinstimmung verursachen würde, kann es eigentlich aufgrund der großen Entfernungen und der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit nicht geben. Doch vor der Inflation waren alle Orte des Universums noch sehr dicht zusammen, so dass es doch einen kausalen Zusammenhang geben konnte und die Kosmische Hintergrundstrahlung daher aus allen Richtungen gleich aussieht.
Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie krümmen Energie und Masse die Raumzeit. Die im Universum vorhandenen Energie und Massen bestimmten auch seine Gesamtdichte Je nach der Gesamtdichte des Universums entwickelt sich das Universum unterschiedlich. Wenn die Massendichte über den Wert einer sogenannten kritischen Dichte liegt, dann gewinnt die Gravitation im Laufe der Zeit die Überhand. Infolge wird die Expansion abgebremst und später in eine Kontraktion des Universums überführt. In diesem Fall ist das Universum positiv gekrümmt und geschlossen, wie die Oberfläche einer Kugel. Wenn die Massendichte unterhalb dieser kritischen Dichte liegt, dann geht die Expansion zeitlich unbegrenzt weiter. In diesem Fall ist das Universum negativ gekrümmt und offen, wie eine Sattelfläche. Die kritische Dichte bildet den Übergangsbereich zwischen beiden Entwicklungsmöglichkeiten. In diesem Fall ist das Universum nicht gekrümmt, sondern flach. Nach dem heutigen Kenntnisstand hat das Universum eine Gesamtdichte im Bereich der kritischen Dichte und ist nicht gekrümmt sondern flach. Auch die Existenz eines flachen Universums findet eine mögliche Erklärung in der Inflationstheorie.
Im heißen Anfangszustand waren die vier heute getrennten Wechselwirkungen bzw. die gravitative, die starke, die schwache und die elektromagnetische Wechselwirkung noch in einer sogenannten super-symmetrischen Wechselwirkung vereint. Bereits innerhalb der Planck-Ära entkoppelte sich die gravitative Wechselwirkung. Die anderen drei Wechselwirkungen blieben noch vereint, was durch die Theorie der großen Vereinheitlichung (Grand Unified Theory, GUT) beschrieben wird. Nach dieser Theorie gibt es magnetische Monopole, welche heute jedoch nicht mehr beobachtet werden können. Die Erklärung für die heutige Nichtbeobachtbarkeit der magnetischen Monopole liefert ebenfalls die Inflationstheorie. Nach dieser wurden die magnetischen Monopole so weit auseinander getrieben, dass sie heute nicht mehr nachgewiesen werden können. Bis 10-12 Sekunden nach dem Urknall waren alle vier Wechselwirkungen nach und nach entkoppelt.
Die ersten Teilchen (Bosonen, Quarks, Leptonen) entstanden bereits 10-36 s nach dem Urknall. Zu dieser Zeit hatte das Universum einen Radius von 10-2 m und eine Temperatur von 1028 K. Die Energie E im Universum ist proportional zu seiner Temperatur T gemäß der Gleichung: E = 3/2 ∙ k ∙ T. Hierbei ist k die sogenannte Boltzmann-Konstante mit dem Wert k = 1,38∙10-23 J/K. Des Weiteren gilt gemäß der speziell-relativistischen Gleichung E = mc², dass Energie und Masse äquivalent (gleichwertig) sind. Hierbei ist c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum mit dem Wert c = 299.792.458 m/s. Zunächst entstanden die Bosonen, so dass sich der Planck-Ära die sogenannte Bosonen-Ära anschließt. Etwa 10-33 Sekunden nach dem Urknall folgte die Quark-Ära. Zu dieser Zeit hatte das Universum eine Temperatur von 1025 Kelvin. Es entstanden die Quarks und die Feldteilchen der starken Wechselwirkung, die Gluonen. Während der Quark-Ära konnten sich die Quarks noch nicht zu Hadronen zusammenschließen, Teilchen die der starken Wechselwirkung unterliegen. Rund 10-6 Sekunden nach dem Urknall lag die Temperatur des Universums bei 1013 Kelvin. Jetzt konnten sich die Quarks zu Hadronen zusammenschließen, wozu auch Protonen und Neutronen gehören. Diese Entwicklungsphase wird als Hadronen-Ära bezeichnet. Zu dieser Zeit hatte das Universum bereits eine Ausdehnung von 1014 Metern erreicht. Die Leptonen, leichte Teilchen wie Elektronen und Neutrinos, entstanden 10-4 Sekunden nach dem Urknall bei einer Temperatur von 1012 Kelvin. Diese Entwicklungsphase wird als Leptonen-Ära bezeichnet. Damit waren alle Teilchen entstanden, aus denen sich dann später die Atomkerne und Atome bilden konnten.
Nach etwa 100 s entstanden bei einem Radius von 1018 m und einer Temperatur von 109 K die ersten leichten Kerne, vor allem Wasserstoff und Helium. Die aus den kosmologischen Modellen folgende Verteilung der Elemente stimmt sehr gut mit der beobachteten Verteilung überein, was ein guter Beleg für die Standardtheorie zur Entstehung und Entwicklung des Universums ist. Demnach besteht das Universum etwa zu Dreivierteln aus Wasserstoff, etwa zu einem Viertel aus Helium und nur einem Bruchteil aus allen anderen Elementen. Dies kann auch tatsächlich beobachtet werden.
Erst nach rund 1012 Sekunden bzw. 400.000 Jahren konnten sich die Elektronen mit den Atomkernen zu Atomen vereinigen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Universum einen Radiums von 1023 m und eine Temperatur von 3.000 K. Mit der sogenannten Rekombination von Elektronen mit den Atomkernen, an sich ein falscher Begriff, da dieser Vorgang zu diesem Zeitpunkt erstmals nach dem Urknall stattfand, entkoppelten sich Strahlung (Photonen) und Materie. Es wird daher auch von einem Übergang von einem strahlungsdominierten zu einem materiedominierten Universum gesprochen. Mit der Entkopplung von Materie und Strahlung wurde das Universum durchsichtig. Die thermische Strahlung aus dieser Entwicklungsphase konnte sich ungehindert ausbreiten und ist heute noch als sogenannte Kosmische Hintergrundstrahlung nachweisbar. Allerdings breitete sich das Universum aus, womit auch die kosmische Hintergrundstrahlung immer langwelliger wurde und heute einer thermischen Strahlung von 2,7 K entspricht. Diese Strahlung konnte im Jahre 1965 nachgewiesen werden, ein weiterer Beleg für das kosmologische Standardmodell. Die ersten Galaxien und Sterne bildeten sich etwa 400 Millionen Jahren nach dem Urknall.
Die uns bekannte Materie aus Atomen bzw. den Teilchen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik, die sogenannte baryonische Materie, liefert nur einen Anteil von etwa vier Prozent an der Gesamtdichte des Universums. Mit einem Anteil von rund 26 Prozent liefert die sogenannte Dunkle Materie ihren Beitrag zur Gesamtdichte. Die Dunkle Materie macht sich nur aufgrund ihrer gravitativen Wirkung bemerkbar, wechselwirkt jedoch nicht elektromagnetisch und ist daher unsichtbar. Was hinter der Dunklen Materie steckt ist noch ungeklärt. Vermutet werden massive Teilchen jenseits des Standardmodells. Die große Mehrheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler favorisiert diese These. Von einer Minderheit werden auch Thesen vertreten, wonach die gängigen Gravitationstheorien reformiert werden müssten. Nach diesen Thesen sollen sich bei größeren Abständen die gravitativen Gesetzmäßigkeiten ändern und so die Existenz der Dunklen Materie vortäuschen.
Ende der 90er Jahre wurde entdeckt, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt. D.h. es dehnt sich heute schneller aus als in der Vergangenheit. Ursache hierfür soll die sogenannte Dunkle Energie sein, deren Natur ebenfalls nicht bekannt ist. Bekannt ist nur, dass die Dunkle Energie einen Anteil von rund 70 Prozent an der Gesamtdichte des Universums hat, der Gravitation entgegenwirkt und somit zu einer beschleunigten Expansion des Universums führt.
Obwohl die Allgemeine Relativitätstheorie von 1915 bereits die Expansion des Universums vorhersagte, glaubte Albert Einstein zunächst an ein statisches Universum. Mit Hilfe von einem Korrekturfaktor, dem sogenannten Lambda-Faktor, versuchte er seine Theorie entsprechend zu modifizieren. Im Jahr 1929 entdeckte der Astronom Edwin Hubble, dass alle Galaxien sich von uns wegbewegen. Je weiter die Galaxien von uns entfernt sind, desto höher ist die sogenannte Fluchtgeschwindigkeit. D.h. der Abstand r zwischen zwei beliebigen Galaxien bzw. zwischen uns und einer Galaxie ist proportional zur Fluchtgeschwindigkeit v dieser Galaxien. Der Proportionalitätsfaktor zwischen der Entfernung und der Fluchtgeschwindigkeit ist der sogenannte Hubble-Parameter H(t). Es gilt:
v = H(t) ∙ r.
Bestimmt wird die Fluchtgeschwindigkeit der Galaxien mit Hilfe ihrer Spektren. Je höher die Fluchtgeschwindigkeit ist, desto weiter sind die Spektrallinien aufgrund des sogenannten Dopplereffekts in den langwelligen Bereich bzw. den roten Bereich des Spektrums verschoben. Daher wird auch von Rotverschiebung gesprochen. Für die Rotverschiebung z gilt:
z = v/c
Hierbei ist v wieder die Fluchtgeschwindigkeit und c die Lichtgeschwindigkeit. Die Rotverschiebung ist also ein direktes Maß für die Entfernung einer Galaxie. Die im Jahre 1929 nachgewiesene Fluchtgeschwindigkeit der Galaxien ist ein weiterer Beleg für das Standardmodell der Kosmologie.
Mit dem Standardmodell der Kosmologie, dem Urknallmodell, lässt sich die Entwicklung des Universums am besten beschreiben. Seine mathematische Darstellung findet es in den Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie, die im Wesentlichen eine Gravitationstheorie ist. Diese Lösungen passen hervorragend zu den vielen, teilweise recht präzisen Beobachtungen. Die Expansion des Universums wird in diesem Modell als das Auseinanderfließen einer gleichmäßig verteilten Materie aufgefasst, die durch homogene Dichte ρ(t) und Druck p(t) beschrieben wird. Die Flüssigkeitsteilchen, die wir uns in diesem Modell repräsentativ für die Galaxien denken können, schwimmen in der sich ausdehnenden kosmischen Materie. Dabei vergrößert sich ihr Abstand proportional zu einer Funktion der Zeit, dem sogenannten Expansionsfaktor R(t). Konkret beschrieben wird diese Entwicklung des Universums durch die sogenannte Friedmann-Lemaître-Gleichung, welche aus der Allgemeinen Relativitätstheorie folgt. In dieser Gleichung kommen drei Terme vor. Der erste Term beschreibt die Materiedichte des Universums. Der Krümmungsfaktor ist im zweiten Term der Gleichung enthalten. Er beschreibt, ob das Universum positiv, negativ oder gar nicht gekrümmt bzw. flach ist. Im dritten und letzten Term, dem sogenannten Lambda-Faktor, wird die Energiedichte des Vakuums beschrieben. Diese wirkt der Gravitation entgegen und führt zu der beobachteten beschleunigten Ausdehnung des Universums. Das flache Universum wird sich nach unserem jetzigen Kenntnisstand weiterhin beschleunigt ausdehnen.
In der Kosmologie werden Entfernungen in Megaparsec (Mpc) angeben. Ein Megaparsec ist eine Million Parsec (pc). Die Einheit Parsec kommt aus der geometrischen Entfernungsbestimmung, der sogenannten Parallaxe. Der Erdbahndurchmesser erscheint in einer Entfernung von 3,26 Lichtjahren (LJ) mit einem Parallaxewinkel von einer Bogensekunde (1“). 1 pc entspricht daher einer Entfernung von 3,26 LJ. Ein Winkel von einem Grad (1°) hat 60 Bogenminuten (60`) und eine Bogenminute (1`) hat 60 Bogensekunden (60“). Ein Lichtjahr ist die Entfernung, die das Licht im Vakuum mit einer Geschwindigkeit von c = 299.792.458 m/s in einem Jahr zurücklegt. Ein Lichtjahr entspricht einer Entfernung von 9,46 Billionen Kilometern.